Fotoausstellung „Hier & dort“ über das gefährliche Leben in Afghanistan
Am 25. November 2017 zeigten wir in unserem Haus die Fotoausstellung „Hier & dort“ über das gefährliche Leben in Afghanistan – und über das Leben afghanischer Geflüchteter in Deutschland. Der Alltag der Menschen in dem Land am Hindukusch wird nicht nur von den Terrormilizen IS und Taliban bedroht. Auch der Staat betreibe ein böses Spiel, veruntreue Gelder und diskriminiere Minderheiten, hieß es von den Rednern des Abends.
Neben den Fotografien wurden Kurzfilme und Videoreportagen von außerparlamentarischen politischen Aktionen gezeigt, weiter ein künstlerischer Film, der Flucht, Heimat und den Verlust naher Angehöriger thematisierte sowie eine Lesung einer in Deutschland lebenden Afghanin über Menschenrechtsaktivitäten.
Zum Ende der Veranstaltung informierte ein Vertreter des Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim über die landesweite Demonstration „Für eine Welt, in der niemand fliehen muss! Keine Abschiebungen in Krieg und Elend!“ am 9. Dezember in Stuttgart.
Aus Mannheim ist eine gemeinsame Anreise mit dem Zug geplant. Infos zur Demo gibt es hier: http://flucht-demo.de
Der Text zur Ausstellung:
HIER UND DORT
Schauen wir in die Medien in Deutschland, erscheint Afghanistan als ein Land, das von den Taliban bedroht wird, dessen Bevölkerung verrückten Fanatikern zum Opfer fällt. Die Situation ist aber weitaus komplexer.
Die Taliban und die afghanische Regierung stehen einander keineswegs feindlich gegenüber. Als Präsident Ghani 2014 illegal die Macht ergriff, viele gefangene ließ er Taliban frei. Seither bezeichnet die Regierung sie als ihre Brüder und ist auch personell mit ihnen verstrickt. Als Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Pashtun und als Sunniten verbünden sie sich.
Gleichzeitig geht die Regierung gewaltsam gegen viele Minderheiten vor. Frauen haben kaum Rechte und Freiheiten. Usbek*innen und Hindus werden stark diskriminiert, die Regierung hat viele Hindus aus ihren Häusern vertrieben und nutzt sie nun für ihre eigenen Mitglieder. Auch die Hazzara werden von der Regierung isoliert und von der Infrastruktur ausgeschlossen. Straßen und Stromleitungen werden um ihr Gebiet im Zentrum Afghanistans herumgebaut. Von den Taliban werden sie gezielt als Geiseln genommen.
Diese Verhältnisse waren der Auslöser großer Demonstrationen, die seit 2015 anhalten. Einige Bilder dieser Ausstellung zeigen zwei dieser Demonstrationen. Die erste wurde 2015 organisiert, als ein 9-jähriges Hazzara-Mädchen nach monatelanger Geiselhaft von den Taliban geköpft wurde, ohne dass die Regierung zu intervenieren versucht hatte. Die zweite Demonstration richtete sich gegen die Aussparung der Hazzara-Stadt Bamyan bei der Verlegung von Strom aus Usbekistan. Bei dieser Demo töteten zwei Selbstmordattentäter, die erst wenige Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden waren, ca. 80 Demonstrierende. Unterstützung für die Verletzten kam nur von Hazzara im Exil, die Regierung blieb tatenlos und schob den Demonstrierenden die Schuld zu, da sie schließlich selbst auf die Straße gegangen seien.
Widerstand formiert sich einerseits innerhalb Afghanistans von Hazzara, mit denen sich auch viele Pashtun und anderen Bevölkerungsgruppen solidarisch zeigen. Andererseits gehen auch außerhalb Afghanistans Hazzara auf die Straße und zeigen ihren Protest bei unterschiedlichen Zusammentreffen der EU mit dem afghanischen Präsidenten. Schließlich unterstützen die EU und Deutschland Afghanistan mit Geldern und Waffen. Die Gelder landen größtenteils in den Privattaschen der Regierung, Waffen werden von den Regierungsmitgliedern teilweise an die Taliban weiterverkauft oder -gegeben.
In Europa wird die afghanische Bevölkerung als Opfer der Taliban dargestellt. In Wirklichkeit sind sie aber Opfer unterschiedlicher Machtinteressen, die zwischen afghanischer Regierung, Taliban, Deutschland und der EU ausgehandelt werden. Diese ihnen aufgedrückte Opferrolle nehmen sie aber nicht so einfach hin, wie die Medien uns glauben lassen wollen. Afghan*innen im In- und Ausland wehren sich. Die junge Generation möchte die Situation selbst in die Hand nehmen, so wie die Hazzara beispielsweise mit Schulen, Krankenhäusern und Sportmannschaften schon seit Jahrzehnten ihre eigene Infrastruktur aufbauen.
Wir sind vor Krieg, Diskriminierung und Unsicherheit geflohen, haben unsere Städte und Häuser verlassen. Wir haben in Deutschland und anderen Ländern Schutz gesucht, obwohl wir wissen, dass diese Länder mitverantwortlich sind für unsere Situation. Täglich fragen wir uns, warum wir von diesen Ländern wieder in die Hölle zurückgeschickt werden sollen.
Wir sind vor Diskriminierung und Unsicherheit geflohen, nur um uns wieder in eine Situation der Entrechtung zu begeben. Uns werden grundlegende Menschenrechte verwehrt. Menschen werden wie Produkte behandelt. Sie werden zusammen in ein Lager gesteckt, ihre Unterbringung und Ernährung wird durch Aufträge an kapitalistische Firmen abgetreten, die mit ihnen Profit machen. Solange sie Geld bringen, werden sie irgendwie akzeptiert. Ist ihr „Haltbarkeitsdatum“ abgelaufen und erscheinen sie nicht mehr brauchbar, werden sie weggeworfen.
Egal wie viel und wie lange wir davon erzählen, werden Sie nicht verstehen, was es bedeutet Flüchtling zu sein. Sie haben nie die Flüchtlingskleidung getragen, Sie haben nie die Flüchtlingsschuhe getragen. Unsere Kleidung ist Kriegskleidung, unsere Schuhe sind Kriegsschuhe, zerrissen und durchlöchert von Erfahrungen, die wir nie wieder loswerden.